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Land unter in Hoian

 

Seit dem 16.10.03 steigt der Wasserstand in den Straßen in Flussnähe immer mehr an. Ich habe eine kleine Tour durch die Stadt gemacht um einige Schnappschüsse zu machen. Die Kinder haben einen riesigen Spaß. Aus den Stämmen der Bananen bauen sie Floße und schippern durch die Gassen. Auch LKW Schläuche oder Styropor dient ihnen zum Bootsbau. Die Eltern schauen nicht ganz so glücklich. Sie bauen Gerüste auf denen sie ihre Habseligkeiten stapeln. In den Straßen ist reger Bootsverkehr.

Sehr interessant ist es sich an einer kleinen Straßenkreuzung mit dem Fotoapparat auf die Lauer zu legen. Von allen Seiten paddeln mehrere Boote gleichzeitig auf die Kreuzungen zu und jeder möchte als Erster über die Kreuzung kommen. Für die einen ist das Hochwasser ein Fluch doch für andere wiederum ein Segen. Viele Leute mit ihren etwa 3-4 Meter langen Paddelbooten verdienen jetzt als Taxifahrer gutes Geld. Auch auf kleinen einachsigen Handkarren wird man gefahren wenn das Wasser nicht höher als etwa 80 cm ist. Im Fluss sind viele kleine Boote unterwegs und fischen das Treibholz heraus. Wenn das Holz dann trocken und klein gehackt ist bringt auch das gutes Geld. Es gab sogar schon einen Toten bei dieser Arbeit in Hoian. Irgendwie hat es ein bisschen Flair von Venedig. Auch Touristen macht es sichtbar Spaß sich durch die überfluteten Gassen schippern zu lassen. Ich selbst bin nicht mit einem Boot sondern mit meinem Fahrrad durch die überschwemmten Gassen gefahren. Bis zu einer Wasserhöhe von etwa 90 cm war dies möglich. Hätte nicht geglaubt, dass es so verdammt schwer zu treten ist wenn das Wasser mal über der Treterhöhe ist. Bis zu einer Wasserhöhe von 40 cm ging es eigentlich noch recht gut.

 

 

Meine Frau hat mir ja schon des Öfteren erzählt, dass es hier viel teurer wird wenn das Hochwasser kommt. Die Fischer fahren nicht mehr aufs Meer hinaus zum Fischen. Viele Salatfelder stehen unter Wasser und der Salat von den nicht überschwemmten Gärten erzielt jetzt Höchstpreise. Viele Schweine die ums Haus herum gehalten werden ertrinken so wie es auch in meiner Familie beim letzten Hochwasser geschehen ist. Viele schlachten jetzt auch nicht mehr weil es zu umständlich ist das Schwein zum Schlächter zu bringen. In den Obstplantagen wird nicht mehr geerntet weil der Weg vom Haus zur Plantage zu weit und zu gefährlich ist.

Die Leute, die dennoch ernten wollen, finden keine Boote die das Obst in die 20 km entfernte Stadt bringen. Der Weg zum Markt ist jetzt ein Abenteuer und teuer. Ich bin heute morgen mit meiner Frau zusammen zum Markt gefahren. Meine Frau saß auf meinem Fahrrad mit beiden Füßen auf der Stange und ich habe sie geschoben. Vietnamesen glauben daran das Schwangere Frauen mit den Füßen nicht in dieses Wasser kommen dürfen. So habe ich sie also auf meinem Rad durch etwa 20 cm hohes Wasser geschoben.

 

Auf den nächsten 500 Metern kamen bestimmt 10 Personen sehr besorgt an und wollten uns von unserem Vorhaben abbringen. Wir kamen dann an eine Stelle wo es Boote und Handkarren für den Weitertransport gab. Meine Frau musste ich vom Fahrrad in das Boot tragen. Leute um uns herum haben andere Leute zurückgehalten das nicht aus Versehen ein Spritzer Wasser an meine Frau kommt. Ich und mein Rad wurden auf einen Handkarren gesetzt und los ging es. Nach dem wir auf der anderen Seite gut abgesetzt wurden, ging es wieder mit dem Fahrrad weiter bis die nächste tiefere Stelle kam. Dort wieder das gleiche Spiel mit dem Boot und dem Handkarren. Als wir dann wieder abgesetzt wurden und nach wenigen Metern trockenen Boden unter den Füßen hatten wurden wir gleich sehr besorgt von Leuten in ihr Haus gezogen.

 

Es war Hektik wie bei einer Notoperation. Meine Frau wurde auf einen Stuhl gesetzt und im selben Moment war auch schon eine Flasche Reisschnaps zur Hand und meiner Frau wurden damit die Füße gewaschen. Bis hierher hatten wir auf dem Weg zum Markt schon 8000 Dong und eine Flasche Reisschnaps ausgegeben. Zurück hat es noch mal so viel gekostet. Wenn man bedenkt, dass wir üblicherweise etwa 15.000 Dong für etwas Fisch, Fleisch, Salat und Gemüse für ein Essen ausgeben dann ist der Weg zum Markt und zurück mit 16.000 doch sehr teuer gewesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Land unter in Hoi An 14.11.2003 19.00 Uhr Vietnam Zeit

Wieder Hochwasser in Hoian

Der Wasserstand des letzten Hochwassers (siehe mein Bericht in diesem Forum „Land unter in Hoian") wurde heute Abend um 17.00 Uhr überschritten. Es wird erwartet, dass in der Nacht der Wasserstand um weitere 60 cm ansteigt.

 

In den 19.00 Uhr Nachrichten wurde gezeigt, dass die Strecke Saigon - Danang an mehreren Stellen unterbrochen ist. Zwischen Nha Trang und Danang wurde vom Hochwasser eine Brücke beschädigt, welche nun vorläufig nicht passierbar ist. Es waren Bilder von Touristenbussen zu sehen die radhoch im Wasser standen und warteten. In der Provinz Quang Nam (Danang / Hoian) gab es heute am ersten Tag 17 Tote. In der Provinz weiter südlich wird von 80 Toten und über 100 weggespülten Häusern berichtet. Auch ich habe heute wieder nasse Füße bekommen als ich in Hoian auf der „Fotopirsch" war.

 

Viele Grüße aus Hoian (VN) Thomas und Kim Yen

 

 

 

 

 

 

 

18, 2003 @ 06:04

Das Hochwasser hier ist recht leicht zu erklären. Im Umkreis von ca.30 km um Hoian herum ist alles Flachland mit Reisfeldern nahe der Meereshöhe. Die Reisfelder stehen eh schon unter Wasser und somit kann nahezu die gesamte Fläche kein zusätzliches Wasser mehr aufnehmen und versickern lassen. Ich habe noch nie erlebt, dass es unmittelbar nach starken Regenfällen Hochwasser gab. Das heißt, der Regen der auf dieser Fläche nieder geht, kann über Flüsse ins Meer ablaufen oder versickern. Das Problem ist die Bergregion, die auch die Grenze zu Laos bildet, in etwa 70 km Entfernung. Die Bergkette hält die Wolken, die vom Meer her kommen richtig fest bis sie sich ausgeregnet haben. Ich schätze das Gebiet dort ist doppelt so groß wie das Flachland um Hoian herum. Der Regen der dort niedergeht sammelt sich und gelangt über einen Fluß nach Hoian und fließt dort ins Meer.

 

Die Wassermassen kommen erst zwei Tage nach den Regenfällen in Hoian an. Es ist genügend Vorwarnzeit um sich darauf einzustellen. Entlang des Flusses gibt es mehrere Ämter mit Wasserstandsanzeigen die ständig den Stand melden. Diese Wasserstände kann man sich im Regionalfernsehen anschauen. Es muss also keine Toten geben. Ich bin selbst schon viel auf diesen Flüssen unterwegs gewesen und kann keine vom Menschen verursachten Einflüsse feststellen. Es sind alles recht natürliche Flüsse die sich wild schlängeln und nicht etwa durch Menschenhand begradigt wurden. An sehr sehr wenigen Stellen sind Uferbefestigungen zu sehen die aber kaum etwas ausmachen können.

 

Die Flüsse verschlammen natürlich sehr wenn die gelbe Brühe von den Bergen her kommt. Da wird aber sehr viel von Menschenhand dagegen unternommen. Eine ganze Privatarmee ist mit ihren Booten unterwegs und saugt den Sand vom Flussbett herauf. Für den enormen Bauboom wird eine unvorstellbare Menge an Sand benötigt. Da die Leute Angst haben, in Sand vom Festland könnten Leichen sein bezahlen sie den Mehrpreis und bevorzugen den „reinen" Sand aus den Flüssen. So habe auch ich über 600 m³ benötigt um mein Grundstück aufzufüllen damit die Straßenhöhe erreicht wurde.

Ich sehe keine Möglichkeit wie von Menschenhand etwas gegen das Hochwasser unternommen werden könnte. Selbst wenn man Deiche um das Flachland herum bauen würde hätte man Hochwasser. Innerhalb der Deiche würde der Niedergehende Regen nicht mehr ablaufen können und um die Deiche herum würden neue Gebiete Hochwasser bekommen die bisher verschont geblieben sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Menschen in und um Hoian leben seit Jahrzehnten mit dem Hochwasser. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass genügend Vorwarnzeit bevor das Hochwasser kommt vorhanden ist und es eigentlich keine Toten geben müsste. Ich sehe aber, dass man geradezu in die Gefahr hinein läuft. So ist z.B. tagelang das Boot meiner Familie am Flussufer festgebunden und keine Menschenseele befindet sich im Boot. Ist Hochwasser angekündigt, dann wohnt und schläft der Vater meiner Frau im Boot. Das Boot könnte sich durch die starke Strömung losreißen und ein im Wasser treibender Baumstamm könnte es dann versenken ist seine Argumentation. Aber genau dieses Beispiel fordert bei jedem Hochwasser Todesopfer in Hoian. Alleine die Strömung, Wellen und starke Winde können die kleinen Boote leicht zum Kentern bringen.

 

Ein weiteres Beispiel habe ich beim Hochwasser am 14.11.03 in Hoian erlebt. Eine Schwester meiner Frau hat einen Marktstand auf dem lokalen Markt. An diesem Tag habe ich alle 2 Stunden an der Wasserstands- anzeige des Schifffahrtsamtes den Wasserstand abgelesen. Sehr genau 20 cm ist es alle 2 Stunden angestiegen. Es war 19 Uhr und schon dunkle Nacht und der Wasserstand war nur noch 40 cm tiefer als der Marktstand meiner Schwägerin. Die Familie saß zusammen beim Abendessen und es wurde mir erzählt, dass wir um 23 Uhr zum Markt gehen müssen um die Waren meiner Schwägerin in Sicherheit zu bringen. Offensichtlich hat man auch schon mit meinen Werten gerechnet und ist darauf gekommen das in 4 Stunden das Wasser in den Marktstand hinein läuft. Mein Vorschlag jetzt schon hinzugehen wurde nur belächelt. Ich erklärte meiner Frau das wir auf dem Weg zum Markt eine Stelle passieren müssen, die fast einen halben Meter tiefer liegt als der Markt. Wenn wir warten dann hat das Wasser dort über 1,4 Meter Höhe. Mein Einwand wurde einfach ignoriert. Wir warteten also bis es fast 23 Uhr war und machten uns auf den Weg zum Markt.

 

Ich mit meinen 1,8 Meter Körpergröße wäre vielleicht schon durchgekommen. Was ist aber mit den kleinen Vietnamesen? Da hätte nur noch die Stirn oder gerade noch die Nase aus dem Wasser heraus geschaut. Es musste also erst nach einem Boot geschaut werden. Auch ich mit meiner Körpergröße hätte mich nicht mehr getraut, denn das Wasser hatte mittlerweile eine sehr starke Fließgeschwindigkeit und hätte mich vielleicht mitgerissen. Anders wäre es bei einer Wasserhöhe von 1 Meter vor 4 Stunden gewesen. Bis wir auf dem Markt eintrafen war es 23.30 Uhr und das Wasser stand schon im Marktstand. Es kam mir auf dem Markt so vor als wenn auch alle anderen Marktstandbesitzer zu Hause auf 23 Uhr gewartet hätten. Es war ein heilloses durcheinander und man kam kaum irgendwo durch weil viel zu viele Leute da waren. Bei so einem Verhalten muss ich sagen, dass die Leute selbst Schuld sind wenn sie dabei umkommen. Ausnehmen möchte ich vielleicht manche Bootsbesitzer. Der Vater meiner Frau sagte zu mir, wenn er sein Boot verliert, dann ist es so als wenn er sein Leben verliert. Das Boot und die damit verbundene Arbeitsstelle stellt für ihn die Existenzgrundlage dar. Ich kann ihm da aber wiederum nur zum Teil recht geben denn er hat so viel Schmuck auf die Seite gespart das er sich damit wieder ein neues (altes, gebrauchtes) Boot kaufen könnte.

 

Viele Grüße aus Hoian, Thomas

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ps. Vielleicht habt ihr von dem Taifun (Windstärke 10) gehört der sich nun schon den dritten Tag in der Höhe von Hue / Danang in einer Entfernung von 500 Km auf dem Meer draußen aufhält. Die Leute hier haben es nicht nur mit Hochwasser sondern auch sehr oft mit Taifunen zu tun.

 

 

 

 

 

 

 

Sie sind herzlich willkommen auf meiner Website weiter herumzustöbern. Vielleicht sind einige Programmpunkte im Reise-Teil für sie Interessant und man lernt sich während einer Vietnamreise im schönen Hoian kennen.

 

© Text u. Fotos: Thomas Weingärtner

Web: tvh-travel.de